Geschichte

Aus Bayernflora
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Geschichte der floristischen Kartierung Bayerns

Die Geschichte der floristischen Erforschung Bayerns im Bereich Gefäßpflanzen lässt sich über 460 Jahre zurückverfolgen. Die letzten gut 100 Jahre beinhalten auch die Geschichte der planmäßigen Erfassung der bayerischen Flora und damit auch die Geschichte der bayerischen Zentralstellen in München und Regensburg bis zur Gründung der Arbeitsgemeinschaft Flora von Bayern im Jahre 2011.


Die Anfänge der floristischen Erfassung in Bayern

Zeichnung von FUCHS
Bayern 1547

Die Anfänge der botanischen Erforschung Bayerns reichen bis in das 16. Jahrhundert zurück. Hier tauchen Namen wie FUCHS, AGRICOLA und GRETSER auf, deren Anliegen jedoch mehr die Beschreibung medizinischer Pflanzen und ihrer Anwendung ist − weniger die Feststellung ihrer Fundorte.
Das bemängelt auch SCHRANK, der Verfasser der ersten bayerischen Flora: "Der älteste Botanist, der, meines Wissens, in Baiern botanisiert hat, ist der berühmte Leonhart Fuchsius, der im J. 1542 zu Basel seine Historia plantarum in Folia herausgab, ohne dass aber dadurch Baierns Flora das Geringste gewonnen hätte, weil er an keinem einzigen Orte eine Pflanze namhaft macht, die er in Baiern gesammelt hätte."
Das war wohl etwas zu kritisch gesehen, denn immerhin legten diese "Väter der Botanik" mit ihren oft prachtvollen Werken die Grundsteine für die Kenntnis der Pflanzen − auch in Bayern.

Anfang des 17. Jahrhunderts erscheinen mit JUNGERMANN und MENZEL die ersten Lokalfloren in dem Gebiet, das später einmal Bayern sein würde.
Lokalfloren gehören in der Folge zu den wichtigsten Eckpfeilern der floristischen Erforschung. In einer Lokalflora werden die in einem bestimmten eng begrenzten Gebiet gefundenen Pflanzen aufgezählt. In aller Regel handelt es sich hierbei um den Wohnort des Autors mit einem Umkreis, der etwa einem Tagesmarsch entspricht. Meistens enthalten diese Lokalfloren noch Angaben wie Standort und Häufigkeit oder irgendwelche Besonderheiten. Lokalfloren werden bis heute erstellt, ihre Anzahl erreicht aber im 19. Jahrhundert einen gewissen Höhepunkt − sicher auch eine Folge der Herausgabe der ersten bayerischen Flora.

Literatur:
  • AGRICOLA, Johann (1541): De Herbis VV. & RR. seu Herbariae medicinae libri duo. − Ingolstadt.
  • FUCHS, Leonhart (1542): De historia stirpium ... − 896 S., Basel. (1543 in Basel auch in der deutschen Fassung "New Kreüterbuch ..." erschienen)
  • GRETSER, Jakob (1591): Disputatio de plantis. − Ingolstadt.
  • JUNGERMANN, Ludwig (1615): Catalogus plantarum, quae circa Altorfium noricum et vicinis quibusdam locis. − 64 S., Altdorf.
  • MENZEL, Albrecht & Philipp MENZEL (1618): Synonyma Plantarum, seu simplicium, ut vocant, circa Ingolstadium sponte nascentium ... − 141 S., Ingolstadt.



Die erste bayerische Flora − 1789

Flora von Franz von Paula SCHRANK
Bayern 1789
Franz von Paula SCHRANK gibt 1789 die erste bayerische Flora heraus, wobei Bayern zu jener Zeit im wesentlichen nur aus den altbayerischen Gebieten Niederbayern, Oberbayern und Oberpfalz besteht.


SCHRANK stellt hier 1.369 Gefäßpflanzen und 484 Kryptogamen zusammen und beschreibt deren Standorte und Besonderheiten, sehr oft auch die Fundorte. Als Quellen für seine Flora gibt er die bis dahin erschienenen Lokalfloren, verschiedene Einzelabhandlungen, Herbarien, seine eigenen Reisen und die Korrespondenz mit etlichen Gebietskennern an.

Damit dürfte SCHRANK die erste floristische Datensammlung auf bayerischem Boden zusammengetragen haben.


Unter den Gebietskennern wird auch ein Dr. David Heinrich HOPPE erwähnt, "der seit zwey Jahren unermüdet die Pflanzen um Regensburg sammelt".


Literatur:
  • SCHRANK, Franz von Paula (1789): Baiersche Flora. − I: 753 S., II: 670 S. − München. Download



Die Regensburgische Botanische Gesellschaft (RBG) − seit 1790

Bayern 1819

Dr. David Heinrich HOPPE gründete dann 1790 mit der Regensburgischen Botanischen Gesellschaft die erste botanische Gesellschaft in Bayern, mit dem Anspruch, sich botanischen Themen weltweit zu widmen. Noch heute pflegt und fördert sie als älteste noch existierende botanische Gesellschaft der Welt die Botanik, jetzt allerdings insbesondere die Erforschung der heimischen Pflanzenwelt und unterstützt die Bestrebungen des Naturschutzes. Die Regensburgische Botanische Gesellschaft gab unter der Redaktion ihres 1. Vorsitzenden HOPPE das "Botanische Taschenbuch für die Anfänger dieser Wissenschaft und der Apothekerkunst" heraus. Außerdem erschien in seit 1818 ununterbrochener Tradition die "Botanische Zeitung welche Recensionen, Abhandlungen, Aufsaetze, Neuigkeiten und Nachrichten, die Botanik betreffend enthaelt", später Flora genannt.

In der Folge werden in Bayern dann noch etwa ein Dutzend botanische bzw. naturhistorische Gesellschaften gegründet.







Die Bayerische Botanische Gesellschaft (BBG) − seit 1890

Besonders wichtig für die weitere Erforschung der Flora von Bayern war aber, dass sich 1890 einige Münchner Mitglieder vom Botanischen Verein in Landshut absonderten und einen eigenen Verein gründeten, den sie "Bayerische Botanische Gesellschaft zur Erforschung der heimischen Flora" nannten. Entsprechend lautet auch der erste Satz ihrer Statuten: "Zweck der Gesellschaft ist die planmäßige Erforschung der gesamten Phanerogamen- und Kryptogamenflora des diesrheinischen Bayern." ("diesrheinisch" deshalb, weil seit 1819 auch die linksrheinische Pfalz zu Bayern gehörte).

Tatsächlich kann man den Beginn zumindest der koordinierten Erfassung der Flora Bayerns mit der Gründung der BBG gleichsetzen. Allerdings darf man nicht vergessen, dass diese Entwicklung ebenso wie der weitere Verlauf ohne die Tätigkeiten der anderen botanischen Gesellschaften nicht möglich gewesen wäre und erste Verbreitungskarten zu Pflanzen in Bayern bereits vorher erschienen waren.

In den Schriften der BBG wurden dann durch den Vorstand ab 1896 erste Vorarbeiten zu einer Flora Bayerns bereits mit bildliche Darstellungen der Artvorkommen in 16 bayerischen Regionen publiziert (siehe Ber. Bayer. Bot. Ges. 4: I-IV, 1-76, 1896). Auch wurden Neufunde bekannt gegeben sowie Bestimmungsschlüssel für schwierige Artengruppen, Bibliographien und Anleitungen zur Kartierung geliefert − also im Grunde schon genau das, was wir heute noch bieten.


Eine umfassende Flora von Bayern − 1914

Flora von Franz VOLLMANN

Dass diese Arbeiten gefruchtet haben, zeigt die bereits 24 Jahre später erschienene und bis heute noch jüngste bayerische Flora. VOLLMANN führt bereits 2.172 Gefäßpflanzenarten und zahlreiche weitere Unterarten und Hybriden auf, allerdings nimmt er die linksrheinische Pfalz mit auf, Kryptogamen dagegen nicht. Die Verbreitung einer Art wird in VOLLMANN − wie meist in Floren − nur verbal wiedergegeben: Überwiegend werden grobe Ortsangaben wie "Regensburg" oder "Weltenburg" geliefert. Darüber hinaus wird, wie schon vor VOLLMANN üblich, eine mehr oder weniger naturräumliche Gliederung des Gebiets vorgenommen, hier in 25 Regionen, die z. T. weiter untergliedert werden. Für jede Art kann damit ihre regionale Zugehörigkeit wie "Jura" oder "Bayerischer Wald" angegeben werden. Vergleichende Arealbilder lassen sich hieraus allerdings nur beschränkt herauslesen.


Literatur:
  • VOLLMANN, Franz (1914): Flora von Bayern. − 840 S., Stuttgart. Download






Die Centralstelle in München − seit 1900

Karte von PAUL
Verbreitungskarte von GAUCKLER
Die bayerischen Bezirke

Bereits 1900 mahnte GRADMANN: "Zu den dringenden Aufgaben der heutigen Wissenschaft gehört ohne Zweifel die Herstellung pflanzengeographischer Karten."

Damit meinte er die Darstellung von sog. "pflanzengeographischen Genossenschaften", also von Artengruppen mit ähnlichen Standortsbedürfnissen und damit ähnlichen Verbreitungsbildern auf einer Karte als Beilage für die Floren. Solche Genossenschaften waren z.B. die "Montane Hochmoorgenossenschaft" oder die "Südeuropäische Steppengenossenschaft". An die Herstellung von Atlanten mit Verbreitungskarten aller Arten dachte damals noch niemand.

GRADMANN schlug vor, die Fundorte für etwa 70 leicht erkennbare Charakterarten dieser Genossenschaften mit Hilfe aller bayerischen Botaniker zusammenzustellen − außerdem schlug er ein System von Vertrauensmännern vor, die die Informationen in den ihnen zugewiesenen Bezirken sammeln und an eine "Centralstelle" weitergeben sollten.


Dieser Vorschlag wurde von der BBG sofort angenommen und in die Tat umgesetzt: Bayern wurde in Bezirke eingeteilt und mit Vertrauensmännern besetzt. Die Centralstelle war die BBG in München. Dieses System wird bis heute in ähnlicher Form beibehalten (Organisation der Zentralstelle in Regensburg und der AG Flora von Bayern).

Erste Ergebnisse dieser pflanzengeographischen Durchforschung wurden von PAUL 1910 anhand einiger Moorpflanzen dargestellt − allerdings wurden dann doch nicht die Areale pflanzengeographischer Genossenschaften dargestellt, sondern Punktverbreitungskarten einiger weniger Arten. Erst 1938 brachte GAUCKLER − ein Schüler GRADMANNS − für Nordbayern eine ganze Reihe von Punktverbreitungskarten heraus.



Literatur:
  • GRADMANN, R. (1900): Vorschläge zur pflanzengeographischen Durchforschung Bayerns. − Mitt. Bayer. Bot. Ges. 1(16): 141−148.
  • Bayerische Botanische Gesellschaft (1896): Vorarbeiten zu einer Flora Bayerns – Familie der Ranunculaceen. − Ber. Bayer. Bot. Ges. 4: I−IV, 1−76.
  • Paul, H. (1910): Die Moorpflanzen Bayerns. − Ber. Bayer. Bot. Ges. 12: 136−228
  • GAUCKLER, K. (1938): Steppenheide und Steppenheidewald der Fränkischen Alb in soziologischer, ökologischer und geographischer Betrachtung. − Ber. Bayer. Bot. Ges. 23: 3−314.



Die Zentralstelle für die Floristische Kartierung Bayerns bzw. Deutschlands, Bereich Süd in Regensburg − seit 1973

"Atlas of British Flora" von PERRING & WALTERS
Verbreitung von Arnica montana in Deutschland


Wichtig für den weiteren Fortschritt in der Floristischen Kartierung war der Impuls durch das Erscheinen des "Atlas of the British Flora" (PERRING & WALTERS 1962), der die Verbreitung der Arten nicht in Punktkarten darstellte, sondern in Rasterkarten (was bereits durch eine weit weniger aufwändige Kartierung möglich ist als im Falle von Punktkarten). Auf diese Anregung durch die Briten kam es zu Vorschlägen zu einer entsprechenden Mitteleuropakartierung (EHRENDORFER & HAMANN 1965) und schließlich auch zu Vorschlägen zu einer Bayernkartierung im Quadrantenraster durch BRESINSKY (1966). Die Bayernkartierung begann zunächst in Südbayern. Mit der Gründung der vier nordbayerischen Regionalstellen (1972) wurde die Erfassung der Gefäßpflanzenflora Bayerns im ganzen Gebiet in Gang gesetzt. Mit dem Wechsel von Andreas Bresinsky und Peter Schönfelder Ende 1973 von München bzw. Stuttgart nach Regensburg lag die Koordination der Kartierung und die Herausgabe der Verbreitungsatlanten bei den Genannten. Es wurde die "Zentralstelle für die Floristische Kartierung Bayerns" mit Standort Regensburg gegründet.

Schoenfelder.jpg Bresinsky.jpg

Ziel der Mitteleuropakartierung − und damit auch der Deutschland- bzw. Bayernkartierung − war es, mit den begrenzten Mitteln und Mitarbeitern in begrenzter Zeit die Areale aller Arten und möglichst vieler Klein- und Unterarten festzustellen. Dabei war es gar nicht anders möglich, als sich im Informationsgehalt auf das Notwendige zu beschränken (Rasterfeld, Status, Quelle, Datum).

Die Ergebnisse von gut zwei Jahrzehnten Kartierungen und Auswertungen wurden 1989 im Atlas der Farn- und Blütenpflanzen der Bundesrepublik Deutschland im TK25-Raster veröffentlicht. Regensburg − jetzt als die "Zentralstelle für die Floristische Kartierung Deutschlands, Bereich Süd" − war hierbei für die Sammlung der Daten in Bayern, Baden-Württemberg, Saarland und Rheinland-Pfalz zuständig.



Literatur:
  • BRESINSKY, A. (1966): Neue Methoden zur floristischen Erforschung Bayerns. − Ber. Bayer. Bot. Ges. 39: 29−34.
  • EHRENDORFER, F. & U. HAMANN (1965): Vorschläge zu einer floristischen Kartierung von Mitteleuropa. − Ber. Deutsch. Bot. Ges. 78: 35−50.
  • HAEUPLER, H. & P. SCHÖNFELDER (1989): Atlas der Farn- und Blütenpflanzen der Bundesrepublik Deutschland. − 2. Aufl., 768 S., Stuttgart.
  • PERRING, F. H. & S. M. WALTERS (Hrsg.) (1962): Atlas of the British Flora. − 432 S.










Der Verbreitungsatlas der Farn- und Blütenpflanzen Bayerns − 1990

1990 schließlich gaben Prof. Dr. Peter Schönfelder und Prof. Dr. Andreas Bresinsky den Verbreitungsatlas der Farn- und Blütenpflanzen Bayerns heraus. Das Werk basiert auf über 1 Mio Geländedaten, erhoben zwischen 1967 und 1983 in 17 Jahren Geländearbeit, sowie auf ausführlichen Literatur- und Herbarauswertungen (→ Liste aller Mitarbeiter, Autoren und Herausgeber). Die floristischen Daten wurden als Verbreitungskarten im TK25-Quadranten-Raster publiziert. Die dort zusammengetragenen Informationen bilden auch heute noch eine der wichtigsten Datengrundlagen für die floristische Kartierung Bayerns.

Verbreitungsatlas der Farn- und Blütenpflanzen Bayerns (1990)
Verbreitungskarte von Arnica montana in Bayern
Literatur:
  • SCHÖNFELDER, P. & A. BRESINSKY (1990): Verbreitungsatlas der Farn- und Blütenpflanzen Bayerns. − 752 S., Stuttgart.


Das Portal "Botanischer Informationsknoten Bayern" (BIB) − seit 2003

Seit 1997, dem Ende einer zeitweiligen Finanzierung durch das Bundesamt für Naturschutz und der Aufnahme von Unterstützungen durch das Bayerische Landesamt für Umweltschutz, konzentrierte die Zentralstelle für die Floristischen Kartierung Bayerns bzw. Süddeutschland in Regensburg ihre Tätigkeiten (wieder) auf Bayern. Unterstützt durch eine Anschubfinanzierung des Landesbund für Vogelschutz (LBV) konnte das Portal Botanischer Informationsknoten Bayern (BIB) initiiert werden. Seit 2003 wird BIB technisch wie inhaltlich betreut durch Wolfgang Ahlmer und Martin Scheuerer. Es ist zu einer allgemein anerkannten und viel genutzten Informationsquelle für botanisch Interessierte in und außerhalb von Bayern geworden und liefert u. a. dynamisch erzeugte Verbreitungskarten und Steckbriefe zu den Gefäßpflanzen Bayerns.

Parallel dazu verlagerte die Zentralstelle in Regensburg unter der Leitung von Prof. Dr. Peter Poschlod ihre Aktivitäten weg von der bloßen Feststellung der Areale der einzelnen Gefäßpflanzen-Arten und der Betreuung ehrenamtlicher Mitarbeiter der floristischen Kartierung Bayerns hin zu einer Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Landesamt für Umweltschutz zur Verbesserung der Datengrundlagen für den botanischen Artenschutz (s.a. Rote Liste).

Literatur:
  • SCHEUERER, M. & W. AHLMER (2003): Rote Liste gefährdeter Gefäßpflanzen Bayerns mit regionalisierter Florenliste. − Schriftenr. Bayer. Landesamt f. Umweltschutz 165: 372 S.



Die Arbeitsgemeinschaft Flora von Bayern − seit 2011

2011 wurde die Arbeitsgemeinschaft Flora von Bayern gegründet. Sie setzt die Arbeiten der Zentralstelle für die Floristische Kartierung Bayerns fort und hat sich zum Ziel gesetzt, die Flora des gesamten Freistaates zu erfassen, darzustellen und hinsichtlich der durch Landnutzung und Klimawandel verursachten Veränderungen auszuwerten.